Mittwoch, 10. Oktober 2012
Matthias Schmid - "Novecento - die Legende vom Ozeanpianisten"
Sie tanzten mit dem Ozean
Eindringliches Ein-Mann-Stück „Novecento“ beeindruckt in der Mühle
Von Christel Voith - erschienen: Schwäbische Zeitung, 12.10.2012
Oberteuringen – Eine neue Initiative des Kulturvereins Oberteuringen ist das „Mittwochstheater“ in der Mühle. Mit der ersten Veranstaltung haben die Verantwortlichen gleich einen sehr guten Griff getan, denn mit seiner suggestiven Stimme, seiner intensiven Erzählweise hat der Schauspieler Matthias Schmid seine Zuhörer immer tiefer hineingezogen in Alessandro Bariccos Erzählung „Novecento – die Legende vom Ozeanpianisten“.
Dass man auch heute noch Legenden schaffen kann, hat der Turiner Autor mit seiner 1994 entstandenen Erzählung bewiesen. Ein blaues Tuch, das von der Rückwand über den Boden fließt, darauf ein Liegestuhl, ein Koffer und ein Glas - das genügt Matthias Schmid und seinem Regisseur Daniel Theuring, um das 1998 verfilmte, atmosphärisch dichte und poetische Stück Jazz-Geschichte auf die Bühne zu bringen: ein traurig-schönes Märchen, das in dieser stillen Eindringlichkeit unter die Haut geht. Als Säugling im Jahr 1900 in einer leeren Zitronenkiste im Tanzsaal des Ozeanriesen Virginian vom alten Matrosen Danny aufgefunden und daher Danny Boodman T. D. Lemon Novecento genannt, wird der Ozeanpianist den Dampfer nie mehr verlassen, auch dann nicht, wenn dieser am Ende mit Dynamit gesprengt werden soll. Nur einer hat Novecentos Vertrauen gewonnen, ein Trompeter, der einige Jahre mit zur See fuhr, mit ihm Musik machte. Ihm hat er seine Geschichte „geschenkt“ und dieser Freund und Musiker-Kollege erzählt sie uns weiter, schlüpft, während er der Vergangenheit nachsinnt, in verschiedene Rollen und versucht das Geheimnis dieses Lebens mitzuteilen, mit all seinen Entbehrungen, seinen herzzerreißenden Sehnsüchten und seiner Erfüllung in der Musik.
Matthias Schmid, ein in Basel lebender Ravensburger, der als leidenschaftlicher Theatermann Anfang 2011 den Schritt gewagt hat, das „Basler Montagstheater“ zu gründen, braucht für seine Umsetzung kein Klavier, keine musikalische Untermalung: Man hat die Musik, den Jazz, den Blues, mit dem Novecento die Gäste auf dem Schiff betört, im Ohr, wenn man nur seinen Worten, der Färbung seiner Stimme zuhört.
Matthias Schmid legt seine Erzählung leise an. Still in sich hineinlächelnd, leise und suggestiv setzt er ein, spielt den geschäftigen Conférencier am Mikrofon, erzählt vom Unwetter, in dem der Ozeanpianist mit dem Flügel durch den Ballsaal tanzt und dabei das Mobiliar zertrümmert, erzählt vom spannenden Jazz-Duell mit einem Pianisten, der sich als der Größte wähnte, ehe er Novecento spielen hörte. Und immer deutlicher entsteht in den suggestiven, jede Regung auslotenden Erzählungen das Bild jenes ungewöhnlichen Lebens und jener ungewöhnlichen Freundschaft.