9. September - 7. Oktober 2012

Christl Schneider-Götz –„AnsichtsSache"

 Trotz bestem Spätsommerwetter fanden sich mehr als 30 Besucher zur Vernissage von Christl Schneider-Götz am Sonntagnachmittag in der Mühlengalerie ein. Bis zum 7. Oktober stellt die Künstlerin aus dem Deggenhausertal großformatige Gemälde aus, mit denen sie vom Betrachter fordert, sich eine „Ansicht" zu bilden.

Die Themen für ihre Arbeiten würden sich aus Anregungen ihrer Umgebung, der Medien, und nicht zuletzt aus der Tätigkeit des Malens als solches ergeben, bekennt die ehemalige Pädagogin am Bildungszentrum Markdorf. Besonderen Spaß bereite ihr die ironische Brechung der Bildsprache oder der freie Umgang mit Farben und Materialien – das malerische Experiment also. Dabei sollen möglichst genau gestaltete Formen und Figuren zueinander und zu ihrer Umgebung in konstruktive Beziehungen treten und Bedeutungsspielräume schaffen. Ihr Anliegen sei es, die dort entstehenden Spannungen herauszuarbeiten und deren ironische Wirkung mit ihrer Maltechnik zu unterstreichen. So stünden etwa die „festen" Konturen der Figuren (Ölfarben) im ironischen Gegensatz zur Brüchigkeit des Malgrundes aus Asche, Sand, Gips, Spachtelmasse und/oder Pigmente. Durch die unterlegten stumpfen Grautöne erreiche sie, dass die Farbigkeit der Formen sowohl hervorgehoben als auch gebrochen und relativiert würden.

„Die Malerin gibt uns Betrachtern nicht eine Sicht der Dinge vor", sagte die Kuratorin der Mühlengalerie, Barbara Kensy-Schneider, in ihrer Laudatio, „sie hält eine Balance zwischen den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten. Erforderlich ist ein genaues Hinsehen, damit wir unsere Sicht der Dinge, unsere Interpretation, aus der genauen An-Sicht begründen können." Jede Begegnung mit Bildern hänge von der persönlichen Perspektive  des Betrachters ab. „Nicht das Bild ist der eigentliche Gegenstand der Betrachtung, sondern der Betrachter selbst."

Bruno Rauscher


Eröffnung Ausstellung  Christl Schneider-Götz
Text Laudatio - verfasst von Christl Schneider-Götz/vorgetragen von Barbara Kensy-Schneider

 „AnsichtsSache“ - 9. September 2012

Kulturhaus  Mühle Oberteuringen

Die Begegnung mit den Bildern dieser Ausstellung ist „Ansichtssache“.

Sie fordert vom Besucher, sich den Gegenstand anzusehen, ihn auf sich wirken zu lassen, auf ihn einzugehen, sich beim Betrachten eine „Ansicht“ zu bilden.

Jede Begegnung mit Bildern hängt vom Auge des Betrachters ab, von seiner ganz persönlichen Perspektive. Nicht das Bild ist der eigentliche Gegenstand der Betrachtung, sondern der Betrachter selbst: „Sehen und Gesehenwerden“.

Zwei Welten werden hier miteinander konfrontiert, die reale und die gemalte Welt, das Auge ist die Verbindung zwischen ihnen.

Ebenso ist das Auge auch das verbindende Element der Bildthemen dieser Ausstellung: „AugenBlicke“, „Paarungen“, „Auf die Wand gemalt“, „Museum“.

Am ausdrucksstärksten wird das Thema des sich Gegenseitig-tief-in-die-Augen-Sehens in der Porträtserie „Augenblicke“ bearbeitet. Durch die farbliche Beschränkung auf grau-gelbliche Töne, auf verblasst wirkende sandige Hintergründe, die u.a. durch den Auftrag von Asche, Holzkohle und Gips rau und rissig wirken, intensiviert sich die Bedeutung der Augen in den Gesichtern, verstärkt sich der zwingende Blick, der den Betrachter nicht los lassen will.

Da hilft nur eines: „Positive Thinking“ – Blickkontakt abbrechen, rosarote Brille aufsetzen und sich in die eigene Welt zurückziehen…..

Blicke können Botschaften vermitteln: Sie geben Verborgenes preis, sie appellieren, sie klagen an. In der großformatigen Reihe „Paarungen“ verweisen die Blicke der Figuren zusammen mit ihrer Körperhaltung auf die vielfältigen, zum Teil problematischen Paarbeziehungen.

Harmonie zeigt sich z.B. in „Paarlauf“, der Partnerschaft zweier Männer, im Gleichklang der Bewegung von Gliedern und Augen. Das Ziel des Heranstürmens ist der zufällige Betrachter. Die Blicke eilen den Figuren voraus, ein frontaler Zusammenstoß ist unvermeidbar.

Ganz anders der resignierte Blick einer älteren Frau in dem Bild „Abgehängt“, der ihr Schicksal vorwegnimmt und dem Publikum verrät. Sie sucht vergeblich Halt an der Schulter eines jungen Mannes, ihre leeren Augen sind in eine hoffnungslose Zukunft gerichtet.

Variationen des Ausstellungsmottos finden sich auch in Bildbeispielen der Reihen „Auf die Wand gemalt“ und „Museum“. Hier wird besonders mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs experimentiert, Fotogenauigkeit und Künstlichkeit geraten dabei in einen ironischen Kontrast: die Genauigkeit der Figurendarstellung suggeriert dem Betrachter einen Anschein von Realitätsnähe. Andererseits stehen die Brüchigkeit des Malgrundes und die Betonung des Zerfalls dazu im Widerspruch – Realität und Künstlichkeit relativieren sich gegenseitig.

Die gemalte Welt ist eine Scheinwelt, sie ist nicht in sich selbst, sondern nur in ihrer Wirkung auf den Betrachter real.

Deutlicher wird dieser Zusammenhang in den Bildern zum Thema „Museum“. Hier spiegeln sich menschliche Sichtweisen im Verhalten der Figuren. Diese sind sowohl Objekte als auch Akteure, sie sind gleichzeitig Betrachter und Betrachtete wie ihr menschliches Gegenüber.

Wie die Museumsbesucher sind es die Figuren selbst, die ausgestellt werden, die gemalten Museumswände sind leer – oder sie wenden sich direkt an den Betrachter wie in „Museum 3“: es bleibt also offen, wer hier wen betrachtet.

Die Malerin gibt uns Betrachtern nicht eine Sicht der Dinge vor oder zwingt sie uns gar auf, sie hält eine oft ironische Balance zwischen den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten. Erforderlich ist ein sorgfältiges Hinsehen, damit wir unsere Sicht der Dinge, unsere Interpretation, aus der genauen An-Sicht begründen können.

Damit wünsche ich Ihnen viel Spaß oder viel Ernst beim Betrachten der hier versammelten Figuren und Menschen. Unterschiedliche Sichtweisen sind möglich und erwünscht, wie gesagt: Bilder sind „AnsichtsSache“…..


„Auf die Wand gemalt“

Figürliche und experimentelle Malerei

Von Christl Schneider-Götz

Die Themen für meine Arbeiten ergeben sich aus Anregungen meiner Umgebung oder der Medien bzw. aus der Tätigkeit des Malens selbst, Besonderen Spaß bereitet mir dabei die ironische Brechung der Bildsprache oder der freie Umgang mit Farben und Materialien, das malerische Experiment.

Möglichst genau gestaltete Formen und Figuren sollen zueinander und zu ihrer Umgebung in kontrastive Beziehungen treten und Bedeutungsspielräume schaffen. Sie sollen Geschichten erzählen, in denen Realität gespiegelt wird, ohne diese einzuengen oder auf nur eine Deutung zu beschränken, Ein Anliegen ist mir dabei die Herausarbeitung von Spannungen, aus denen sich ironische Wirkungen ergeben. So stehen z.B. die (scheinbar) festen Konturen der Figuren (Ölfarben) in ironischem Kontrast zur Brüchigkeit des Malgrundes (Asche, Sand, Gips, Spachtelmasse, Pigmente), die Farbigkeit der Formen wird durch die unterlegten stumpfen Grautöne sowohl hervorgehoben als auch gebrochen und dadurch relativiert.

In neuerer Zeit bemühe ich mich um eine Verbindung von figürlicher und abstrakter Malerei bei stärkerer Betonung der Farbe.